Verhalten bei Terroranschlägen (I): Sprengstoffanschlag

Florian Peil
von Florian Peil
Verhalten bei Terroranschlägen (I): Sprengstoffanschlag

Wie überlebt man einen Terroranschlag? In den meisten Fällen haben Sie Handlungs­optionen, die Ihr Leben retten können. Diese unterscheiden sich jedoch von Fall zu Fall, da es verschiedene Arten von Anschlägen gibt.

In einer Blog-Serie stelle ich die gängigsten Arten von Terroranschlägen vor und zeige die wichtigsten Verhaltensweisen auf, die die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, einen solchen Anschlag zu überleben.

Teil 1 behandelt die Variante des Sprengstoffanschlags.

Die Explosion kommt plötzlich

Ein Sprengstoffanschlag kündigt sich in der Regel nicht an, sondern wird Sie plötzlich und mit einer heftigen Explo­sion überraschen. Wenn Sie unverletzt geblieben sind oder nur leichte Verletzungen erlitten haben, können die folgen­ den Verhaltensmaßnahmen Sie vor Schlimmerem bewah­ren.

1 / Gehen Sie zunächst in Deckung. Legen Sie sich flach auf den Boden und schützen Sie mit den Händen Ihren Kopf und Ihren Nacken. Ist ein Tisch oder ein anderes halbwegs stabiles Möbel in der Nähe, suchen Sie darun­ter Schutz. Sollten Regale oder Schränke in der Nähe sein, die umstürzen und Sie unter sich begraben könnten, bewe­gen Sie sich aus deren Reichweite. Wenn möglich, halten Sie Abstand zu Fenstern, Glasfronten und Deckenlampen, denn deren Splitter können Sie schwer verletzen.

2 / Zwingen Sie sich unbedingt zur Ruhe. Wenn die Bombe in Ihrer unmittelbaren Nähe detoniert ist, klingeln viel­ leicht Ihre Ohren und Sie können vorübergehend nichts mehr hören. Um Sie herum könnten Sie Schutt und Splitter, Rauch, Tote, Verletzte und Chaos wahrnehmen. Jetzt beginnt für Sie die heikle Phase, denn Sie sind noch nicht in Sicherheit und müssen raus aus der Gefahrenzone. Da­ für brauchen Sie einen klaren Kopf.

Raus aus der Gefahrenzone

3 / Verlassen Sie die Gefahrenzone. Versuchen Sie, das Zentrum der Explosion zu lokalisieren, und bewegen Sie sich dann so zügig wie möglich davon weg. Suchen Sie nach Möglichkeit einen sicheren Ort auf. Das kann zum Beispiel eine Privatwohnung sein oder auch ein kleines, unscheinbares Hotel.

Wenn Sie sich in einem Gebäude befinden, suchen Sie nach Treppenhäusern und Notausgängen oder orientieren sich in Richtung innen gelegener Räume. Fahrstühle sind tabu. Prüfen Sie Böden und Trep­pen auf Einsturzgefahr, bevor Sie sie betreten. Bei Rauch gehen Sie gebückt. Benutzen Sie weder Feuerzeuge noch Streichhölzer.

Sobald Sie im Freien sind, verlassen Sie den Ort der Explosion. Bleiben Sie nicht vor Fensterscheiben oder Glastüren stehen. Machen Sie den Weg frei für Ret­tungskräfte.

Wie man die Rettungskräfte ruft, ohne sich zu gefährden

4 / Sollte Ihnen ein Verlassen der Gefahrenzone nicht möglich sein, machen Sie die Rettungskräfte auf sich aufmerksam. Rufen Sie jedoch nicht, um keinen Staub ein­zuatmen. Machen Sie stattdessen mit Klopfzeichen auf sich aufmerksam oder benutzen Sie eine Taschenlampe, falls Sie eine bei sich tragen. Pfeifen Sie, wenn Sie können.

Hat herabfallender Schutt Sie unter sich begraben, sodass Sie sich kaum noch bewegen können, versuchen Sie den­ noch, ruhig zu bleiben, bis Rettungskräfte eintreffen. In Deutschland dauert dies in den meisten Fällen nicht län­ger als eine Viertelstunde; in Ländern ohne entsprechende Infrastruktur mitunter mehrere Stunden.

Kontrollieren Sie Ihre Atmung. Gefährlich ist vor allem der bei der Explosion aufgewirbelte Staub, den Sie nicht ein­ atmen sollten. Schützen Sie Mund und Nase daher nach Möglichkeit mit einem Stück Stoff. Atmen Sie nicht tief ein. Vermeiden Sie jede Bewegung, die weiteren Staub auf­ wirbeln könnte.

5 / Verhalten Sie sich still, wenn Sie Stimmen oder Bewegungen in Ihrer Nähe registrieren. Sie müssen zunächst sicher sein, dass es sich tatsächlich um Rettungskräfte handelt und nicht um Terroristen, die nach Überlebenden suchen, um diese möglicherweise zu exekutieren. Machen Sie erst dann auf sich aufmerksam, wenn Sie Helfer iden­tifizieren konnten.

Anderen helfen? Ja, aber….

6 / Helfen Sie anderen, sofern möglich. Wenn Sie nach der Explosion unverletzt geblieben sind, um Sie herum jedoch Tote und Verletzte liegen, könnten Sie den Impuls verspüren, in Richtung des Explosionsortes zu laufen, um anderen zu helfen. Tun Sie das besser nicht: Ihre eigene Sicherheit hat Vorrang.

Gehen Sie kein Risiko ein, das Sie nicht einschätzen kön­nen. Helfen Sie, sobald keine Gefahr mehr für Sie selbst besteht. Unterstützen Sie die Helfer, indem Sie sie zum Beispiel auf verletzte Personen aufmerksam machen. Be­wegen Sie diese nicht ohne entsprechende Anleitung durch die Rettungskräfte.

Vorsicht vor weiteren Bomben

7 / Vorsicht vor weiteren Bomben. Eine beliebte Vorge­hensweise von Dschihadisten besteht darin, am Anschlags­ort mehrere Bomben zu platzieren und zeitversetzt zu zünden. Ein Sprengsatz macht den Auftakt. 

Sobald Ret­tungs­- und Sicherheitskräfte, Schaulustige und Journa­listen am Tatort eintreffen, werden weitere Bomben ge­zündet, häufig mit weitaus größerer Sprengkraft. Oftmals sind diese an möglichen Fluchtwegen positioniert. 

Auch Autobomben sind denkbar oder Selbstmordattentäter, die sich im Chaos nach der Explosion unter die Menschen­ menge mischen. Auf diese Weise können Attentäter so­ wohl die Opferzahlen als auch die Schrecken des An­schlags potenzieren.

Suchen Sie ein sicheres Gebäude auf

Explodiert ein Sprengsatz auf der Straße, begeben Sie sich sofort in ein nahe gelegenes und sicheres Gebäude und bleiben dort, bis die Sicherheitskräfte Entwarnung geben. Ein sicheres Gebäude ist eines, das für Terroristen uninteressant ist und daher mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht angegriffen wird, zum Beispiel wenn dort kein Pu­blikumsverkehr herrscht oder das Ziel keinen Symbol­charakter hat.

Halten Sie sich fern von Menschenmengen und unge­wöhnlich parkenden Autos oder Motorrädern; an diesen könnten weitere Bomben platziert sein. Menschenmengen sind ein für Terroristen attraktives Ziel. Vertrauen Sie Ihrem Instinkt, wenn Sie inmitten vieler Menschen ein ungutes Gefühl haben, und verlassen Sie diesen Ort sofort.

8 / Führen Sie nur kurze Telefonate. Nach einem An­ schlag ist das Netz sehr wahrscheinlich überlastet, sodass Sie mit Ihrem Anruf nicht durchkommen. Nutzen Sie besser Messenger­Dienste oder SMS. Informationen über die Bedrohung können Sie zum Beispiel auch per Smartphone über das Warn- und Informationssystem Katwarn beziehen.

9 / Arrangieren Sie sich auch danach mit der Situation, denn die gewohnten Strukturen werden für eine Weile nicht funktionieren. Unmittelbar nach einem Terroran­schlag kann das Chaos regieren: Zahllose Sicherheitskräfte sind im Einsatz, Flughäfen, Bahnhöfe und Ausfallstraßen kön­nen abgeriegelt sein, die Krankenhäuser sind überlastet, Schulen und Kindergärten geschlossen. Unter Umständen werden Sie und Ihre Familie evakuiert und müssen Ihr Haus oder Ihre Wohnung vorübergehend räumen. Stel­len Sie sich mental darauf ein.

 

Dieser Text ist ein Auszug aus meinem Buch Terrorismus – wie wir uns schützen können.


Foto: Aaron Tang, Wikimedia Commons.

MerkenMerken

MerkenMerken

MerkenMerken

MerkenMerken

MerkenMerken

Florian Peil
Florian Peil
Ich bin Florian Peil. Als Sicherheitsberater und Trainer stärke ich die Abwehrkräfte von Unternehmen und schule Menschen für den souveränen Umgang mit Risiko und Gefahr. Zuvor war ich Mitarbeiter einer Sicherheitsbehörde im Bereich Terrorismusbekämpfung. Als Islamwissenschaftler bin ich Spezialist für die Region Nahost und Nordafrika.
Kostenloser Newsletter

Hier die Blog-Artikel abonnieren.

Ihre Daten sind sicher. Hier ist unsere Datenschutzerklärung.
..